Heilpflanzen, so die Alchemiker,
wachsen in der Nähe des Kranken
(Bild: Trinosophie-Blog)
Wer sie wie „Tropfen aus der Apotheke“ benutzt, nichts über ihre Entstehung und Wirkweise kennt, mag ihr Wirken als WUNDER bezeichnen. Teuer genug sind sie ja. Also müssen sie auch gut sein. Hier hat das Pharma- kartell bei der Meinungsbildung gute Vorarbeit geleistet. Anders aber als bei Pharma-Pillen, gibt es keine lange Liste von Risiken und Nebenwirkungen. Spagyrische Heilmittel – um die geht es – ersetzen weder Arzt noch Heilpraktiker. Doch können sie eine konventionelle Therapie wirksam unterstützen und Nebenwirkungen harmonisieren. Mit Bedacht und Intuition prophylaktisch eingesetzt, lassen sich Krankheiten noch vor einem Ausbruch in milde Bahnen lenken oder ganz harmonisieren. Die Spagyrik besitzt im europäischen Kulturkreis eine lange Tradition.
Spagyrik ist – vereinfacht formuliert – ein System alchemischer Heilmittel. Ihre Wirkweise ist dreifältig:
(1) allopathisch,
(2) homöopathisch und
(3) „geistig.“
ALLOPATHISCH: Die Mittel enthalten materiell nachweisbare grobstoffliche Substanzen, die vorliegenden Symptomen entgegen wirken.
HOMÖOPATHISCH: Die Mittel enthalten feinstoffliche INFORMATIONEN, im Sinne der klassischen Homöopathie, zum beabsichtigten Wirkkreis des Mittels.
GEISTIG: Dieser Aspekt bildet das Unterscheidungsmerkmal zu anderen Heilmitteln. Dazu gehört vorrangig die Signaturenlehre, die globale Entsprechung von Mineral, Pflanze und Gestirn sowie Zeitpunkt und Wirkkreis in der physischen und psychischen Konstitution des Menschen.
Im westlichen Kulturkreis wurde die alchemische Heilkunst vor allem durch den Arzt und Mystiker Paracelsus (1493 – 1541) bekannt. Unter Lebensgefahr versuchte Paracelsus die alchemische Heilkunst der klassischen Heilweise konzeptionell und praktisch gegenüberzustellen. Das brachte nicht nur die um ihre Reputation und Einnahmen fürchtende organisierte Ärzteschaft gegen ihn auf, die Paracelsus unverhohlen als miese Quacksalber und Beutelschneider brandmarkte. Auch die mit dumpfem Dogma herrschende Kirche argwöhnte ihren erfundenen Teufel am Werk. Denn was Paracelsus über Geist, Gott und Heilung zu sagen hatte, widersprach der „Lehre“ und kam zudem ganz ohne Priesterkaste aus.
TCM und Spagyrik – gemeinsame alchemische Wurzeln
Was Paracelsus seinen Zeitgenossen mühselig und unter Lebensgefahr zu vermitteln suchte, war in China ein bereits jahrtausende etabliertes effektives Heilsystem. Die Taoisten waren gerühmt für alchemische Praktiken. Die heute als traditionelle chinesische Medizin (TCM) bekannte holistische Heilweise war und ist EIN Zweig taoistischer Alchemie. Wie beim westlichen Pendant spielen Mineralien, Pflanzen und die Entsprechungen mit den Planeten und ihren Konstellationen eine Rolle. Bei einigen taoistischen Schulen kommen außerdem tierische Bestandteile hinzu.
Manche behaupten daher, Paracelsus sei ein Bodhisattva gewesen, also ein Adept, der nur deswegen inkarnierte, um den Menschen unseres Kulturkreises eine geistige Inspiration zu vermitteln – in dem Fall ein altehrwürdiges Heilsystem im europäisch/christlichen Gewand. Wer weiß…
Die Tradition der Spagyrik als Form alchemischer Heilkunst wurde nach Paracelsus vor allem von Anhängern des Rosenkreuzes fortgeführt. Die Tradition der Rosenkreuzer wurde bekanntlich um 1615 mit der Veröffentlichung der Fama Fraternitatis R. C. (Ruf der Bruderschaft des Rosenkreuzes) und der Confessio Fraternitatis R. C. (Bekenntnis der Bruderschaft des Rosenkreuzes) ins öffentliche Bewusstsein gerufen.
Spagyrik ist nicht gleich Spagyrik
Aus spärlichen historischen Quellen geht hervor, dass namenlose volkstümliche Heiler die „heilige Kunst“ der Alchemie, wie sie von Paracelsus eingeführt wurde, aufgriffen und damit nicht unwesentlich zur Gesundheit der Bevölkerung beitrugen. Das arme ländliche Volk konnte sich kaum teure Ärzte leisten. Also rief man heimlich die Alchemisten um Hilfe. Die verordneten individuellen Rezepturen waren bezahlbar und oft auch wirksam. Diese Heiler fühlten sich von Fama und Confessio magisch angezogen. Indem sie sich geistig – bewusst oder unbewusst – auf die Botschaft der Schriften ausrichteten, bildeten sie eine Art „geistige Bruderschaft R. C.“
Einen tieferen Einblick in die Geschichte und das gesellschaftliche Umfeld der Verbindung von alchemischer Heilkunst und Rosenkreuzerbewegung bietet die Biografie des Tiroler Alchemisten und Theosophen Adam Haslmayer. Die Biografie wurde in den 1990er Jahren im Auftrag der holländischen Bibliotheca Philosophica Hermetica von dem Gelehrten Carlos Gilly herausgegeben.
Aber Spagyrik ist nicht gleich Spagyrik. Zwar bringt allein das homöopathische und stoffliche Mischen von mineralischen und pflanzlichen Substanzen zum richtigen Zeitpunkt wirksame Mittel hervor. Doch erst wenn der „Geist“ der verwendeten Stoffe nach einem auf Paracelsus zurückgehenden und bis heute codifizierten Verfahren in eine spagyrischen Substanz „einzieht“ und ein so genanntes SOLUNAT entsteht, kann von einem WAHREN ALCHEMISCHEN Mittel gesprochen werden. Das Verfahren vermochte in Deutschland zuletzt nur einer heilpraktisch umzusetzen: Alexander von Bernus (1880 – 1965). Die von ihm in den 1920er Jahren gegründete Firma SOLUNA stellt auch heute noch Heilmittel nach seiner Rezeptur her. SOLUNA über den komplizierten Herstellungsprozess:
Pro Stunde ergeben sich dabei etwa 150 ml … „geronnenen Geistes.“
(Wird fortgesetzt.)
Adam Haslmayer – Der erste Verkünder der Manifeste der Rosenkeuzer, Carlos Gilly, Stuttgart, 1994
Linksunten:
Mögliche Verfügbarkeit von ADAM HASLMAYER (ohne Gewähr!)
Bibliotheca Philosophica Hermetica
Zuletzt aktualisiert: 04.10.2007 von Heinz Knotek